Eine Passage aus „Meine Memoiren“ (Hatiralarim) von Musa Anter, übersetzt von Ernst Tremel, in der über eine Säuberungsaktion in Dersim berichtet wird:
Ein andermal waren wir im Lager und ruhten uns unter den Bäumen aus. Unser Kompanieführer, Oberleutnant Secaettin, fing an von seinen Erlebnissen zur Zeit des Aufstandes in Dersim zu erzählen, und das mit heller Begeisterung. Ich möchte Ihnen hier nur einen kurzen Einblick in die Geschehnisse geben, von denen er eine ganze Serie berichtete:
Wir hatten eine Säuberungsaktion begonnen. In einer Höhle fanden wir eine Familie. Den Großvater, den Vater, die Mutter und ein fünf bis sechs Jahre altes Kind. Die Erwachsenen beseitigten wir an Ort und Stelle, indem wir sie mit dem Bajonett niedermachten. Das Kind töteten wir nicht, um etwas von ihm zu erfahren. Denn aus den Erwachsenen von Dersim konnten wir nichts herausbringen. Sie brachten wir sofort um. Wir wussten, dass sie sowieso nichts verraten würden. Um das Kind nicht zu verängstigen, entfernten wir es, bevor wir seine Mutter, seinen Vater und seinen Großvater abschlachteten. Wir bemühten uns, gut Freund zu dem Kind zu sein. Wir gaben ihm Essen, wir gaben ihm Süßigkeiten, doch es aß nichts. Irgendwann flog eines unserer Flugzeuge über uns hinweg. Das Kind, das wir festhielten und das sich in einem Zustand wie bei einem Muskelkrampf befand, bückte sich sogleich an der Stelle, wo es war, hob einen dicken Stock auf und zielte damit genauso wie mit einem Gewehr auf unser Flugzeug über uns hinweg. Jedes Mal, wenn es diese Bewegung machte, wurde ich wütend. Deshalb gab ich den Befehl: „Bringt diesen Bastard um!“ Die Soldaten stachen es mit dem Bajonett nieder und warfen es von einem Felsenriff in die Tiefe. Erneut operierten wir in einem weitläufigen Gebiet. Tausende von Kurden sammelten wir aus Höhlen, Schlupfwinkeln und Grotten ein. Unser Kommandant befahl uns, sie alle in den Munzur zu werfen und zu ertränken, anstatt andauernd sehr viel Munition dafür zu verschwenden, sie zu erschießen. Die von uns aufgegriffenen Kurden führten wir hinter die Munzur-Brücke. An dieser Stelle war der Fluss tiefer und reißender. Wir brachten sie also dorthin und trieben sie von da aus in den Fluss. Manche gingen sogar freiwillig hinein. Diejenigen aber, die sich weigerten, schleppten wir dorthin und warfen sie ins Wasser. Eine Zeit lang klammerten sie sich in Todesangst aus Leibeskräften so stark aneinander fest, dass sie die Brückenjochweiten, d.h. die Bögen zwischen den Brückenpfeilern verstopften. Ich ließ einige junge Stämme von den Eichbäumen dort abhacken und befahl den Soldaten, damit so lange auf sie einzuschlagen, bis sie voneinander abließen. Zur Sicherung hatte ich ohnehin auch unter den Brückenpfeilern Soldaten postiert, um diejenigen, die sich schwimmend zu retten versuchten, abzuschießen.
Anter, Musa: Meine Memoiren, bearb. v. Tremel, Ernst, 2005, Münster, S. 41.
Autor: Van Dersim